Ars Anatomica – Die kunstvolle Darstellung des menschlichen Körpers

Diese Abbildung eines Herzens mit Blutgefäßen ist das Werk eines unbekannten Künstlers und stammt wahrscheinlich aus dem 19. Jahrhundert. (Bild: Wellcome Collection; CC-BY-4.0-Lizenz)

In einem opulenten Bildband präsentiert Joanna Ebenstein faszinierende anatomische Illustrationen aus verschiedenen Jahrhunderten.

Ein Bild zeigt einen Mann, der seine Haut wie einen Mantel abstreift und seine darunterliegenden Muskeln entblößt. In dunklen Farben werden Teile des menschlichen Verdauungstrakts als seltsames Stillleben präsentiert. Dies sind nur zwei der knapp 300 Illustrationen, die sich im Bildband „Ars Anatomica – Die kunstvolle Darstellung des menschlichen Körpers“ finden lassen, welchen die Morbid-Anatomy-Gründerin Joanna Ebenstein mit Unterstützung der medizinischen Illustratorin Marie Dauenheimer herausgegeben hat.

Das sehr ansprechend gestaltete Buch enthält Darstellungen, die größtenteils aus dem 16. bis 20. Jahrhundert stammen; die meisten davon aus der westlichen Welt. Das Werk ist nach Körperregionen gegliedert und führt in jedem Kapitel durch anatomische Illustrationen unterschiedlicher Epochen und Künstler. Zähne, Gehirne, Herzen und Geschlechtsorgane lassen sich auf den Seiten ebenso entdecken wie makellose Jünglinge mit aufgeschnittenen Körpern, erstaunlich erwachsen aussehende Föten im Mutterleib und sezierende Anatomen in repräsentativen Sälen.

Die zusammengestellten Werke offenbaren viel über die Weltsicht der jeweiligen Epoche. So wurde bis in die frühe Neuzeit angenommen, dass der menschliche Körper einen Mikrokosmos des gesamten Universums darstelle und die Gestirne Einfluss auf bestimmte Körperteile haben. Ein Schaubild aus dem späten 15. Jahrhundert stellt die Tierkreiszeichen auf bestimmten Körperteilen dar, mit denen sie in Verbindung gebracht wurden. Solche Illustrationen dienten als Leitfaden für die Planung von Operationen. Ein Körperteil sollte nicht behandelt werden, wenn der Mond im zugehörigen Tierkreiszeichen stand, da dies als gefährlich galt. In der Renaissance entstanden erstmals äußerst naturgetreue Darstellungen des menschlichen Körperinneren, die für Mediziner und Studenten wertvolle Lehrmittel waren und bis heute mit ihrer ästhetischen Qualität und einem unglaublichen Detailreichtum beeindrucken.

Holzschnitt eines „Tierkreismenschen“ aus dem 1491 veröffentlichten Buch Fasciculus medicinae.

Auch wenn die im Buch dargestellten Körper durch den Einsatz von Skalpell und anderen medizinischen Instrumenten nicht mehr unversehrt sind, wirken sie oft sehr lebendig. Für anatomische Illustrationen wurden vielfach die sezierten Leichen hingerichteter Verbrecher verwendet; eine Tatsache, die von den Urhebern der Werke gerne verschleiert wurde, indem sie die Körper in einen ästhetisch ansprechenden Kontext einbanden.

Die ausdrucksstarken und teils ausgesprochen morbiden Abbildungen in dem großformatigen Buch werden von kurzen und informativen Texten begleitet. Diese leiten die einzelnen Kapitel ein und geben Hintergründe zu den Illustrationen. Eine Zeitleiste am Anfang des Buches hilft zudem, die Werke in ihren medizin- und kulturgeschichtlichen Kontext zu stellen. Insgesamt lädt der sehr gelungene Bildband zum faszinierten Blättern ein und besticht sowohl mit wunderschönen Abbildungen als auch mit spannenden Einblicken in die menschliche Anatomie.

Joanna Ebenstein „Ars Anatomica – Die kunstvolle Darstellung des menschlichen Körpers“
Laurence King Verlag; Hardcover; 272 Seiten; 30,00 Euro; ISBN: 978-3-96244-149-4

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