Verborgen in der Tiefsee

Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis infernalis) (Bild: 2007 MBARI)

Wissenschaftler enthüllen die Fortpflanzungsstrategie der Vampirtintenfische.

Sein wissenschaftlicher Name klingt furchterregend: Vampyroteuthis infernalis, der „höllische Vampirtintenfisch“. Und in der Tat sieht dieser Tiefseebewohner durchaus unheimlich aus. Sein Körper ist von dunkelroter Farbe und er besitzt große, strahlend blaue Augen. Zwischen seinen acht Fangarmen, die mit hakenförmigen, fleischigen Fortsätzen besetzt sind, spannt sich eine Haut, die an einen wallenden Umhang erinnert.

Und nicht nur das Aussehen, auch die Lebensweise der Vampirtintenfische ist ausgefallen. Im Gegensatz zu allen anderen Tintenfischen sind die Tiere nämlich keine Räuber, sondern ernähren sich von herabsinkenden organischen Partikeln, dem sogenannten Meeresschnee. Diese Kost filtern sie mit zwei speziellen fadenförmigen Anhängen aus dem Wasser. Dass die Vampirtintenfische auch in weiterer Hinsicht etwas ganz Besonderes sind, haben Wissenschaftler um Henk-Jan T. Hoving nun in einer Studie festgestellt, die in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde.

Für alle heute lebenden Arten von Tintenfischen nahm man bislang an, dass sie sich in ihrem Leben nur ein einziges Mal fortpflanzen und anschließend sterben. Doch sollte das auch für die sonderbaren Vampirtintenfische gelten? Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher bei 43 weiblichen Vampirtintenfischen, die vor der Südküste Kaliforniens in Netz gegangen waren, die Eierstöcke, also die Organe zur Bildung und Reifung von Eizellen.

Die Nahrung der Vampirtintenfische ist der sogenannte Meeresschnee. (Bild: 2004 MBARI)

In den Eierstöcken der noch nicht geschlechtsreifen Tiere fanden die Forscher, wie zu erwarten, ausschließlich unreife Eizellen vor. Unter den geschlechtsreifen Vampirtintenfisch-Weibchen entdeckten sie neben Individuen mit reifen Eizellen allerdings auch solche, bei denen keinerlei reife Eizellen in den Eierstöcken vorhanden waren. Die Eierstöcke dieser Tiere schienen sich also in einer Ruhephase zu befinden.

Während ihrer Reifung im Eierstock sind die Eizellen von einem Zellverband umgeben, dem Follikel. Wenn die reifen Eizellen den Eierstock verlassen, bleiben die Follikel zurück. Bei vielen der untersuchten Vampirtintenfische fanden die Forscher tatsächlich Follikel in den Eierstöcken, die auf vorangegangene Eiablagen hindeuten. Da die Follikel in den Eierstöcken der Tintenfische nur sehr langsam abgebaut werden, konnten die Forscher die Eiablagen der einzelnen Weibchen rekonstruieren. So hatte eines der Tiere in seinem Leben mindestens 3800 Eier abgelegt. Unter Annahme einer durchschnittlichen Gelegegröße von 100 Eiern wären das mindestens 38 separate Eiablagen! Dieses Weibchen besaß außerdem noch etwa 6500 unreife Eizellen, also noch genug für etwa 65 weitere Gelege.

Die Fortpflanzungsstrategie der Vampirtintenfische ist damit unter den Tintenfischen einzigartig. Während andere Arten alle verfügbare Energie in ein einzelnes Fortpflanzungsereignis stecken, investieren die Vampirtintenfisch-Weibchen nur relativ wenig Energie pro Eiablage. Stattdessen setzen sie auf zahlreiche, separate Fortpflanzungsereignisse mit dazwischenliegenden Ruhephasen.

Vampirtintenfische leben in Meerestiefen mit besonders geringem Sauerstoffgehalt. (Bild: 2004 MBARI)

Diese Ruhephasen dauern vermutlich mindestens einen Monat. Das Weibchen mit seinen geschätzt 38 Eiablagen wäre damit seit mindestens drei Jahren geschlechtsreif und könnte sich mit seinen zahlreichen unreifen Eizellen insgesamt acht Jahre lang fortpflanzen. Die Vampirtintenfische gehören somit vermutlich zu den langlebigsten Tintenfischen, die meist nur eine verhältnismäßig kurze Lebensspanne besitzen.

Vampirtintenfische bewohnen Meerestiefen, in denen das Wasser kalt und sehr sauerstoffarm ist. Ihre Nahrung ist, verglichen mit der anderer Tintenfische, äußerst kalorienarm und ihre Stoffwechselrate niedrig. Wahrscheinlich ist ihre Fortpflanzungsstrategie eine Anpassung an diese besondere Lebensweise. Da die Weibchen nicht ausreichend Energie für ein einzelnes, großes Fortpflanzungsereignis aufbringen können, verteilen sie viele kleinere Eiablagen über ihre verhältnismäßig lange Lebensspanne. Die Forscher vermuten, dass diese Strategie in der sauerstoffarmen Tiefsee gut funktioniert, da hier nur wenige Räuber drohen, die das Leben der Vampirtintenfische vorzeitig beenden können.

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