Schaurige Schnecken

Von leuchtenden, giftigen, geisterhaften und bluttrinkenden Weichtieren

Schnecken sind sonderbare Wesen. Viele von ihnen tragen ihre Augen am Ende langer, ausstülpbarer Fühler. Auf einer Schleimschicht gleiten sie mit ihrem einzelnen muskulösen Fuß unaufhaltsam vorwärts. Die meisten Schnecken besitzen eine spiralförmig gewundene Schale, in die sie sich zurückziehen können und die ihren empfindlichen, weichen Körper schützt. In ihrem Mund befindet sich eine mit unzähligen kleinen Zähnchen besetzte Raspelzunge (Radula), mit der sie allerlei Fressbares zerkleinern. Schnecken mögen für den ein oder anderen schon generell zum Fürchten sein. Aber es geht noch schlimmer; die folgenden Schnecken sind geradezu schaurig:

Leuchtende Schnecken

Es gibt tatsächlich leuchtende Schnecken! Die allermeisten dieser biolumineszenten Tiere findet man im Meer, so wie Hinea brasiliana. Diese Art besitzt spezielle Körperzellen, die Licht erzeugen. Richtig schaurig sieht das aber erst aus, wenn die Schnecke in ihre Schale zurückgezogen ist, denn dann beginnt das gesamte Schneckenhaus zu leuchten, wie eine grüne Laterne. Die Struktur der Schale streut das Licht und lässt das Tier besonders hell erscheinen.

Die biolumineszente Süßwasserschnecke Latia neritoides (Bild: Shaun Lee; CC-BY-NC-SA-2.0-Lizenz)

Die einzige Gattung leuchtender Süßwasserschnecken ist unter dem wissenschaftlichen Namen Latia bekannt und lebt ausschließlich in Bächen und Flüssen der neuseeländischen Nordinsel. Diese kleinen Schnecken mit napfförmiger Schale sind die einzigen bekannten biolumineszenten Süßwassertiere überhaupt. Bei Berührung erzeugen die Schnecken einen leuchtend grünen Schleim. Das Licht dient ihnen wahrscheinlich dazu, Fressfeinde, wie Fische, zu vertreiben oder zu verwirren. Ihr Schleim ist darüber hinaus äußerst klebrig und nur schwer zu entfernen. Wenn ein angreifender Fisch also nicht bereits vom Anblick des geisterhaften Leuchtens abgeschreckt wird, sollte er spätestens dann in die Flucht geschlagen werden, wenn die seltsame Substanz an seinem Kopf haften bleibt. Und beim nächsten Mal wird sich der Fisch vermutlich lieber nach anderer Nahrung umschauen, wenn eine der Schnecken leuchtenden Schleim ausstößt.

Die einzige leuchtende Landschneckenart ist die in Südostasien verbreitete Quantula striata. Diese Schnecken können schwache Lichtblitze erzeugen. Es ist nicht genau bekannt, was der Zweck dieses gelbgrünen Leuchtens ist. Ein spezielles Organ im Kopfbereich der Schnecken erzeugt das rhythmische Glimmen. Zeigt man den Schnecken in Experimenten einen leuchtenden Artgenossen, leuchten sie daraufhin häufiger auf. Forscher vermuten deshalb, dass die Schnecken durch das geisterhafte Leuchten miteinander kommunizieren. Worüber sie reden und warum auch schon die Eier der Tiere leuchten, bleibt bislang aber rätselhaft.

Giftige Schnecken

Der Landkartenkegel ist hübsch anzusehen, aber hochgiftig.

Fast alle Arten von Kegelschnecken (Conidae) leben in tropischen Meeren. Kristallklares, warmes Wasser umspült ihre bunt gemusterten, kegelförmigen Schalen, die wie kleine Kunstwerke aussehen. Kunstwerke, von denen man besser die Finger lassen sollte, denn diese räuberischen Schnecken besitzen eine äußerst gefährliche Waffe. Die Zähnchen ihrer Raspelzunge haben sich im Laufe der Evolution zu langen, spitzen Strukturen umgewandelt, die wie Harpunen funktionieren. Wird eine solche mit Wucht in den Körper eines Angreifers oder Beutetiers hineingestoßen, injiziert die Schnecke dadurch ein Gemisch verschiedener Giftstoffe. Das Gift der Kegelschnecken-Arten, die Fische jagen, ist besonders wirksam, denn ihre flinke Beute muss innerhalb von Sekundenbruchteilen bewegungsunfähig gemacht werden. Wenn eine Schnecke ein Beutetier erwischt hat, verschlingt sie ihr Opfer im Ganzen (eine Kegelschnecke bei der Jagd auf Fische kann man sich in diesem Video ansehen).

Der Landkartenkegel (Conus geographus) gehört zu den gefährlichsten Arten. Hunderte von Giftstoffen, die unterschiedliche Bereiche des Nervensystems lahmlegen, wirken zusammen und bilden einen tödlichen Cocktail. Das Nervengift dieser Kegelschnecke ist so wirksam, dass sie damit sogar einen gesunden Erwachsenen ins Grab bringen kann und ihr Stich durchdringt problemlos Handschuhe und Taucheranzüge.

Geister-Nacktschnecken

Die „Geister-Nacktschnecke“ Selenochlamys ysbryda macht Jagd auf Regenwürmer. (Bild: Amgueddfa Cymru; CC-BY-SA-3.0-Lizenz)

Bis in die 2000er Jahre waren sie der Wissenschaft noch völlig unbekannt; dann tauchten sie plötzlich in Wales auf. Die äußerst dehnbaren Körper dieser eigentümlichen Nacktschnecken sind in ein geisterhaftes Weiß getaucht. Mit ihren verkümmerten Augen sind sie nahezu blind. Sie leben die meiste Zeit unterirdisch, doch nachts steigen sie manchmal aus der Erde hervor und kriechen umher. Wie sie nach Wales gelangt sind, ist noch immer rätselhaft; ursprünglich stammen sie vermutlich aus dem Krimgebirge am Schwarzen Meer.

Es ist noch immer wenig über die Biologie dieser mysteriösen Schnecken bekannt. Auf jeden Fall leben sie räuberisch und machen Jagd auf Regenwürmer. Ihr wissenschaftlicher Name lautet Selenochlamys ysbryda. Der nahezu unaussprechliche Artname leitet sich von dem walisischen Wort „ysbryd“ ab, was Geist oder Gespenst bedeutet. Ihre Entdecker wählten den Namen als Anspielung auf ihre geisterhafte Erscheinung, nachtaktive Lebensweise, räuberische Ernährung und das Geheimnis ihrer Herkunft. Im englischen hat sich der Name „ghost slug“, also Geister-Nacktschnecke, eingebürgert.

Blutsaugende Schnecken

Schale der bluttrinkenden Gitterschnecke Cancellaria cooperi (Bild: Shellnut; CC-BY-SA-3.0-Lizenz)

Gitterschnecken (Cancellariidae) sind vor allem in tropischen und subtropischen Meeren verbreitet, häufig in der Tiefsee. Früher nahm man an, dass sich diese Schnecken von Mikroorganismen ernähren. Doch einige ihrer Körpermerkmale waren ungewöhnlich: Der lange, dünne Rüssel, die Speicheldrüsen und der sehr einfach aufgebaute Verdauungsapparat passten nicht zu den üblichen Merkmalen von Mikrobenfressern. Könnte es sich etwa um blutsaugende Schnecken handeln? Als die Gitterschnecken-Art Cancellaria cooperi im Rahmen einer Studie genauer untersucht wurde, beobachtete man, wie die Schnecken sich Rochen näherten und am Körper dieser Fische anhefteten. Sie berührten die Rochen mit ihren Fühlern und stülpten ihren Rüssel aus. Anschließend machten sie kleine Schnitte in die Haut und führten den Rüssel in die entstandene Wunde ein. Die Rochen schienen von ihren Aufsitzern nichts zu bemerken. Dann begannen die Schnecken mit dem Rüssel zu pumpen: sie saugten tatsächlich das Blut der Fische! Die bluttrinkenden Gitterschnecken sind allerdings nicht die einzigen Vampire unter den Schnecken. Vertreter zweier weiterer Familien von Meeresschnecken, der winzigen Randschnecken (Marginellidae) und der Zwergtritonshörner (Colubrariidae), haben sich ebenfalls auf Fischblut als Nahrung spezialisiert.

Es gibt also durchaus eine ganze Reihe schauriger Schnecken. Im eigenen Garten wird man jedoch in der Regel weitaus weniger Furcht erregende Weichtiere antreffen, auch wenn diese immer wieder kaltblütig über die Zierpflanzen und den Salat herfallen.

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