Ein Besuch in der Wanderausstellung „Echte Körper – von den Toten lernen“

Lehrausstellung oder Mogelpackung?

Die Ausstellung „Echte Körper – von den Toten lernen“ ist derzeit mit etwa 200 menschlichen Exponaten in verschiedenen deutschen Städten unterwegs. Während die Internetseite der Ausstellung keine „theatralische Zurschaustellung, sondern die Vermittlung von Wissen“ verspricht, bezeichnete der Anatom und „Körperwelten“-Schöpfer Gunther von Hagens die Wanderausstellung in einem Interview als Kopie, die eine Verwechslung mit „Körperwelten“ bewusst in Kauf nehme. Wir wollten uns eine eigene Meinung bilden und besuchten die Ausstellung in Gießen, wo sie vom 17. bis zum 21. Oktober 2014 in einem großen Zelt zu sehen war.

Im Inneren des Zeltes angekommen, schauten wir uns zunächst die gleich im Eingangsbereich angebrachten Texttafeln an. Die erste Tafel informierte über das Ohr, die zweite über das Auge und die dritte über AIDS. Wer zwischen diesen Themen verzweifelt einen Zusammenhang sucht, dem sei gesagt, dass auch wir ihn nicht wirklich finden konnten. Auch wenn die Themen im weiteren Verlauf der Ausstellung besser sortiert wirkten, fehlte uns bei den umfangreichen Texttafeln vielfach der rote Faden.

Als erstes Exponat erblickten wir dann einen plastinierten, menschlichen Kopf. Die Haut war teilweise entfernt worden, so dass der Blick auf Muskeln und feine Strukturen, wie die Gesichtsarterien, frei war. Kleine, nummerierte Pinnnadeln, die in das Präparat gesteckt worden waren, informierten über die deutschen und wissenschaftlichen Namen der Strukturen. Auf der fast künstlich wirkenden, konservierten Haut erinnerten immer wieder kleine Haare, etwa an Nase oder Ohren, daran, dass es sich bei den Präparaten einst um lebendige Menschen gehandelt hatte.

In rechteckigen Vitrinen waren Plastinate kompletter, auf dem Rücken liegender, Körper zu sehen. Dahinter gaben ein kurzer Film und einige Tafeln Informationen zum Thema Organspende. Sehr eindrücklich war ein Präparat der kompletten Haut eines Menschen, die wie ein abgestreifter, fleischfarbener Anzug wirkte. Texttafeln erläuterten dazu den Aufbau der Haut und warnten vor Hautkrebs. Weiter ging es mit den inneren Organen; wir sahen Präparate von Leber, Herz und Magen-Darm-Trakt.

Auf mehrere Vitrinen verteilt war das spektakuläre Präparat eines in zahlreiche dünne Scheiben geschnitten Menschen. Lediglich die Hände und Füße waren nur angeschnitten worden und so konnte man die dünnen Finger samt Fingernägeln noch gut erkennen. Bei allen in der Ausstellung gezeigten Exponaten handelte es sich um anatomische Lehrpräparate, wie sie auch zur Ausbildung von Medizinern eingesetzt werden. Die Gewebe waren in der Regel nicht eingefärbt worden, weshalb die Plastinate meist von eher bräunlicher Farbe waren.

Ein weiterer Bereich der Ausstellung zeigte Föten in verschiedenen Entwicklungsstadien. Bei einigen Präparaten war das Gewebe transparent gemacht und die sich entwickelnden Knochen rot gefärbt worden. Tafeln an den Wänden klärten unter anderem über die Befruchtung und über Prostata- und Brustkrebs auf.

Am Ende der Ausstellung wurden zwei konservierte Lungen gezeigt, die jeweils an Schläuchen hängend befestigt waren. Die Besucher waren dazu eingeladen, die Lungen mit einem Blasebalg aufzupumpen. Eine Lunge stammte dabei von einem Raucher, die andere von einem Nichtraucher. Da eine erklärende Beschriftung fehlte, blieb jedoch offen, ob die Besucher darüber nachdachten, inwiefern sich die Lungen in ihrem Volumen unterschieden, oder eher der Faszination erlegen waren, die Organe mit dem Blasebalg zu bearbeiten.

Was ist nun unser Fazit: Lehrausstellung oder Mogelpackung? Wir würden sagen – weder noch. Die Texte in der Ausstellung sollten wohl einen seriösen Anspruch als Lehrausstellung betonen, bauten aber leider größtenteils überhaupt nicht aufeinander auf. Während einige einen unnötig hohen Detailgrad aufwiesen, waren andere eher trivial formuliert. Das größte Manko war allerdings, dass die Texte nicht gut auf die Präparate abgestimmt waren. Wofür die gezeigten Strukturen genau dienen, wurde oft nicht erklärt. Die Exponate selbst waren als Lehrpräparate zwar nicht so spektakulär und künstlerisch (oder theatralisch) gestaltet wie bei „Körperwelten“, aber durchaus interessant und ansprechend. Oft fragte man sich allerdings, mit welchen Techniken die, von der US-amerikanischen Firma Corcoran Laboratories hergestellten, Exponate eigentlich genau präpariert worden waren, denn diese Informationen fehlten leider völlig.

Wer noch keine anatomische Ausstellung besucht hat und sich von dem eher mäßig ausgearbeiteten didaktischen Konzept nicht abgeschreckt fühlt, kann „Echte Körper – von den Toten lernen“ aber auf jeden Fall besuchen. Wo die Wanderausstellung als nächstes zu sehen ist, wird im Vorfeld stets auf der offiziellen Website (siehe oben) angekündigt.

Ein Gedanke zu „Ein Besuch in der Wanderausstellung „Echte Körper – von den Toten lernen“

  1. Ich finde die Beantwortung der Frage der „Mogelpackung“ mit „weder noch“ richtig.
    Vor allem hatte ich nicht den Eindruck, dass eine Verwechslung mit „Körperwelten“ auftreten kann: weder namentlich, noch inhaltlich.
    Beide Ausstellungen schlagen in die selbe Kerbe, unterscheiden sich jedoch erheblich.
    Was ich bei der Ausstellung angenehm fand war die Tatsache, dass keine große „Show“ um die Toten gemacht wurde.
    Eine detaillierte Auskunft bzgl. der Herkunft der Präparate habe ich allerdings ebenfalls vermisst, und so blieb für mich nach dem Besuch ein schaler Nachgeschmack.

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