Die klebrige Falle der Weberknechte

Der Schwarzgoldene Fadenkanker (Mitostoma chrysomelas) (Bild: Malcolm Storey; CC-BY-NC-SA-3.0-Lizenz)

Erstmals zeigten Forscher, dass die langbeinigen Spinnentiere kleine Klebetröpfchen zur Jagd nutzen.

Den Weberknechten (Opiliones), auch Kanker oder Zimmermänner genannt, wurden im Volksglauben allerlei seltsame Eigenschaften nachgesagt. So sollten die langbeinigen Spinnentiere Menschen durch einen Biss Unheil bringen können und sich von einem Gift ernähren, welches sie aus der Luft einsaugen. Tatsächlich ernähren sich Weberknechte allerdings von ganz profanen Dingen wie kleinen Gliederfüßern, Aas oder faulenden Früchten.

Trotz oberflächlicher Ähnlichkeit handelt es sich bei den Weberknechten nicht um Webspinnen (Araneae), von denen man sie anhand ihres verwachsenen Vorder- und Hinterleibs leicht unterschieden kann. Eine mit etwa 60 Arten in Europa vorkommende Familie der Weberknechte sind die Fadenkanker (Nemastomatidae). Sie halten sich meist versteckt in moderndem Laub auf dem Waldboden auf. Hier wimmelt es von Milben und kleinen Insekten, wie Springschwänzen; ihrer Nahrung. Wie diese Weberknechte genau Beute machen, war aber bis vor kurzem nicht bekannt. Dabei wurde schon vor über hundert Jahren beschrieben, dass an ihren beinartigen, paarigen Mundwerkzeugen, den Kiefertastern (Pedipalpen), kleine Tröpfchen zu sehen sind, die ihnen möglicherweise bei der Jagd hilfreich sein könnten. Beobachtet hatte man eine solche Jagd allerdings nie, denn die Bewegungen der Weberknechte sind für das menschliche Auge einfach zu schnell.

Wissenschaftler um Jonas O. Wolff wollten es nun genauer wissen. Für eine in der Fachzeitschrift Journal of Experimental Biology veröffentlichte Studie fingen sie verschiedene bodenbewohnende Weberknechte aus der Familie der Fadenkanker ein, darunter die in Europa weit verbreitete Art Mitostoma chrysomelas (Schwarzgoldener Fadenkanker). Mit Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen hielten sie dann fest, wie die Weberknechte Jagd auf Springschwänze machten. Die Forscher untersuchten weiterhin die physikalischen Eigenschaften der Tröpfchen an den Kiefertastern, indem sie mit einer feinen Glaspipette ermittelten, wann genau der Flüssigkeitstropfen beim Wegziehen der Pipette abriss.

Springschwänze sind zwar viel langsamer als Weberknechte, aber nicht völlig wehrlos. Wie ihr Name schon vermuten lässt, können sie nämlich springen. Dies tun sie mit ihrer Sprunggabel, die wie eine Feder gespannt unter ihren Hinterleib gebogen ist. Wenn Gefahr droht, können sie ihre Sprunggabel auslösen und sich so wegkatapultieren.

Die Springschwänze der Art Tomocerus vulgaris hatten keine Chance gegen die Klebetröpfchen der Weberknechte. (Bild: James K. Lindsey; CC-BY-SA-3.0-Lizenz)

Im Experiment suchten die hungrigen Weberknechte aktiv nach den Springschwänzen. Dazu tasteten sie mit ihren langen und äußerst beweglichen Beinen vorsichtig umher. Ab und an streckten sie ihre tröpfchenbesetzten Kiefertaster weit nach vorne aus. Sobald einer der Kiefertaster auf einen Springschwanz stieß, klebte dieser dort fest. Der Weberknecht versuchte daraufhin auch seinen zweiten Kiefertaster an der Beute festzukleben. Anschließend führte er sein Opfer zum Mund und zerkleinerte es mit seinen Mundwerkzeugen.

Es sind winzige Drüsenhaare an den Kiefertastern, welche die klebrigen Tröpfchen tragen. Die Forscher konnten zeigen, dass die Tröpfchen je nach Belastung unterschiedlich zähflüssig sind (sie verhalten sich wie eine sogenannte nichtnewtonsche Flüssigkeit): Je schneller die Tröpfchen mit der Pipette in die Länge gezogen wurden, umso stärker war ihre Klebkraft. Und dies wurde den sich wehrenden Springschwänzen zum Verhängnis. Je stärker sie sprangen und zappelten, desto fester klebten sie an den Kiefertastern der Weberknechte. Dieser Mechanismus funktioniert ähnlich wie die Fangfäden von Webspinnen oder die Klebefallen fleischfressender Pflanzen und macht diese Weberknechte zu sehr effektiven Jägern.

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