Eulen auf der Jagd im Mondschein

Schleiereule mit relativ dunklem, rötlich-braunen Gefieder. (Bild: Chris; CC-BY-2.0-Lizenz)

Das Licht des Vollmonds verschafft weißgefiederten Schleiereulen einen Vorteil gegenüber ihren rötlich-braunen Artgenossen.

Die Nacht ist nicht vollkommen dunkel. Sie wird vor allem durch den Mond erhellt, der das Licht der Sonne reflektiert. Je nach Phase ist der Mond von der Erde aus vollständig sichtbar (Vollmond), nur teilweise zu sehen, oder unsichtbar (Neumond). Ein kompletter Mondphasenzyklus dauert rund 29,5 Tage. Die Mondphasen beeinflussen die Aktivität von Tieren, die in der Nacht unterwegs sind, denn es hängt von der Stärke des Mondlichts ab, wie gut sie Nahrung erspähen können und wie wirkungsvoll sie getarnt sind.

Die Schleiereule (Tyto alba) jagt in der Nacht. Vor allem kleine Nagetiere zählen zu ihrer Beute. Ihr herzförmiger Gesichtsschleier bündelt den Schall und hilft ihr, Beutetiere exakt zu lokalisieren. Die Färbung des Brust- und Bauchbereichs von Schleiereulen kann sehr unterschiedlich sein. Es kommen Tiere mit dunklem rötlich-braunen Gefieder vor, solche mit strahlend weißer Färbung sowie Übergangsformen. Forscher um Luis M. San-Jose haben sich die Frage gestellt, ob die Gefiederfarbe der Eulen ihren Jagderfolg beeinflusst. Eine helle Eule reflektiert viel Licht und könnte deshalb, insbesondere in hellen Vollmondnächten, verhältnismäßig leicht von potentiellen Beutetieren entdeckt werden, was ihren Jagderfolg schmälern könnte. Dunklere Eulen sollten in hellen Nächten hingegen weniger stark beeinträchtigt werden. Eigentlich eine logische Schlussfolgerung, doch die Forscher wurden von den Ergebnissen ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde, überrascht.

Können Schleiereulen mit solch strahlend hellem Gefieder in Vollmondnächten überhaupt Beute machen? (Bild: Verändert nach Dean Eades BirdMad; CC-BY-SA-4.0-Lizenz)

Für ihre Untersuchung installierten die Wissenschaftler Intrarotkameras an Nistkästen, in denen Schleiereulenpaare ihre Jungen großzogen. So konnten sie nachvollziehen, wie oft und wann die Elterntiere Beute ins Nest trugen. Die Schleiereulen-Väter wurden außerdem mit GPS-Geräten ausgestattet. Vor allem in den ersten Lebenswochen der Eulenküken ist es nämlich hauptsächlich der Vater, der Nahrung für die Mutter und die Jungtiere heranschafft. Mit Hilfe der GPS-Geräte wurde erfasst, ob die Eulen jagten (zu erkennen an einem eher langsamen Flug mit schnelleren Richtungsänderungen) und ob sie Beute machten (zu erkennen, wenn sie nach einer Jagd direkt zum Nest zurückkehrten, um die Beute zu verfüttern). Die Forscher prüften, welchen Einfluss die Gefiederfarbe der Schleiereulen und die jeweilige Mondphase auf den Jagderfolg hatten. Es zeigte sich, dass die dunkelsten Eulen weniger erbeuteten, je stärker der Mond schien. Das Licht in der Nacht verringerte also ihren Jagderfolg. Erstaunlicherweise war dies aber bei den hellen Eulen nicht der Fall. Die Tiere mit dem hellsten Gefieder machten bei stärkerem Mondlicht nämlich nicht weniger Beute. Aber warum haben helle Eulen mit ihrem auffälligen Gefieder keinen Nachteil, wenn sie im Licht des Vollmonds jagen?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, mussten sich die Forscher den Beutetieren der Eulen widmen. Dazu fingen sie Feldmäuse (Microtus arvalis) ein und hielten sie für einige Tage in Terrarien. Sie simulierten an ihnen Angriffe von Schleiereulen. Dazu verwendeten sie Präparate von einer dunklen und einer hellen Schleiereule in Flughaltung. Die Präparate wurden aufgehängt und konnten über lange Leinen nach unten auf die Feldmäuse in den Terrarien zugleiten. Simulierte Angriffe wurden jeweils mit dem dunkel oder hell gefiederten Eulenpräparat durchgeführt; bei Lichtbedingungen, die entweder Voll- oder Neumond entsprachen. Die Forscher beobachteten, wie die Nagetiere auf die Angriffe reagierten.

Schleiereulen mit hellem Gefieder lassen ihre Beutetiere in Vollmondnächten vor Angst erstarren. (Bild: Lee Elvin; CC-BY-SA-3.0-Lizenz)

Wenn die Feldmäuse die Eulenpräparate entdeckten, erstarrten sie oft mehrere Sekunden lang mitten in ihrer Bewegung. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie die Gefahr wahrgenommen hatten. Wie zu erwarten, konnten die Nagetiere in dem Experiment die herangleitenden Eulenpräparate bei Vollmond-Lichtbedingungen besser sehen als bei Neumond-Bedingungen. Die Gefiederfarbe der Präparate hatte dabei aber einen entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten. Während es bei Neumond-Lichtbedingungen keinen großen Unterschied für die Feldmäuse machte, ob die dunkle oder helle Eule im Anflug war, erstarrten sie bei Vollmond-Bedingungen etwa fünf Sekunden länger, wenn die helle Eule auf sie zukam. Eine Feldmaus, die sekundenlang nicht die Flucht ergreift, ist für eine angreifende Eule eine leichte Beute. Das erstaunliche Verhalten der Feldmäuse lässt sich dadurch erklären, dass das hell leuchtende, weiße Eulengefieder die Nagetiere offenbar stark erschreckt. Feldmäuse haben, wie wahrscheinlich auch viele andere Beutetiere der Schleiereulen, eine deutliche Abneigung gegen Helligkeit und plötzliches Licht lässt sie vor Schreck erstarren.

Dunkle Schleiereulen tun sich in Vollmondnächten also schwerer; und wenn sie mehrere Nächte lang keine Beute machen, kann das fatale Auswirkungen auf das Wachstum und Überleben ihrer Küken haben. Helle Eulen können diesen Nachteil mit ihrem stark reflektierenden Gefieder offensichtlich ausgleichen. Warum sich eine helle Färbung dann nicht auf Dauer bei allen Schleiereulen durchgesetzt hat, ist bislang unklar. Die Forscher vermuten, dass helle Eulen durch ihre schlechtere Tarnung leichter von Krähen und anderen tagaktiven Vögeln entdeckt werden können. Diese versuchen ruhende Eulen oft zu vertreiben und attackieren sie. So ist bei Tag eine unauffälligere, dunklere Färbung vermutlich von Vorteil. Die vielfältigen Gefiederfarben der Schleiereulen sind also wohl dem Wechsel zwischen Tag und Nacht und dem Zyklus der Mondphasen zu verdanken.

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